Menschen sitzen mit Notebooks an einem Tisch Menschen sitzen mit Notebooks an einem Tisch
Lernformate müssen sowohl den individuellen Anforderungen der Mitarbeitenden vor Ort als auch den remote Arbeitenden gerecht werden. (Symbolbild)

Bei nahezu jedem Unternehmen hat der digitale Trend Einzug gehalten. Zunehmend mehr Unternehmen schreiben sich die Digitalisierung auf ihre strategische Agenda. Dies bringt auffallende Veränderungen für die Personalentwicklung mit sich und das Spektrum technologiegestützer Lernmethoden, einschliesslich E-Learning und virtuelle Klassenzimmer, ist enorm. Konzepte und Lernmethoden verändern sich beinahe täglich und bieten den Mitarbeitenden eine Fülle an Möglichkeiten, sich flexibler, selbstbestimmter und individuell nach ihren Bedürfnissen ausgerichtet wann und wo immer sie wollen, weiterzubilden und zu entwickeln.

Wo stehen die Personalentwicklungen beim Einsatz neuer Lernformen und was ist in der Umsetzung zu berücksichtigen? Diese zentralen Fragen vertiefte Ueli Zumkehr, Personalentwickler bei der Mobiliar, am kürzlich online durchgeführten Workhack zum Thema «Digitalisierung in der Personalentwicklung» an der Kalaidos Fachhochschule. In interaktiven Fragerunden wurden verschiedene Begrifflichkeiten sowie Trends und Innovationsmöglichkeiten im Learning & Development reflektiert und diskutiert.

Status quo: Digitale Tools im Corporate Learning

In den letzten Jahren haben Unternehmen innerhalb von kürzester Zeit lernen müssen, von heute auf morgen (noch) digitaler zu werden. Dabei haben sie festgestellt, dass Lernen auch ganz anders funktionieren kann. Mitarbeitende haben Lernerlebnisse kennengelernt, die Lust auf Mehr machen und zeigen, dass es tatsächlich ein Lernen 4.0 gibt. Damit hat sich Lernen in den Unternehmen radikal verändert. Mitarbeitende haben die Neugierde für neue Lernformen entdeckt, möchten sie noch besser kennenlernen, sie besser verstehen und sinnvoll nutzen. Was die vergangenen Jahre bei vielen Unternehmen an digitaler Infrastruktur ungenutzt verfügbar war, ist in den letzten Jahren genutzt worden und fordert Veränderungen. So halten hybride Lernformen mehr und mehr Einzug in die Klassenzimmer der Workshopräume von Organisationen.

Studien zeigen, dass sich viele Unternehmen im Dschungel der verschiedenen digitalen Technologien noch immer nicht wirklich zurechtfinden. Sie tappen im Dunkeln, wo sie beginnen sollen und sind sich nicht im Klaren darüber, was der eine oder andere Begriff bedeutet und was an Nutzung digitaler Lernformen prinzipiell sinnvoll ist für ihre Organisation und Mitarbeitenden. «Bei vielen Organisationen geht es zudem langsam voran, wenn es um die Ausbildung der Mitarbeitenden geht, um diese ausreichend auf die Veränderungen ihrer Arbeitswelt im Kontext digitaler Weiterbildungsmassnahmen vorzubereiten», so Zumkehr im Workhack.

Das Corporate Learning wird sich der Herausforderung stellen müssen, die für ihre Organisation passenden Lernformate auszuwählen und so in die Praxis zu integrieren, dass sie sowohl den individuellen Anforderungen der Mitarbeitenden vor Ort als auch den remote Arbeitenden gerecht werden. Doch wie sehen diese digitalen Lernformen aus? Sind sie wirklich neu oder gibt es sie bereits länger und sind sie möglicherweise erst in den letzten Jahren in der Realität angekommen? Micro Learning, Learning Nuggets, Augmented Reality, Chatbots, Simulationen, Adaptive Learning Web Based Training, Chat GPT, Micro Credentials sind dabei nur einige der Begrifflichkeiten aus einer Trendstudie, die Zumkehr mit den Teilnehmenden im Rahmen des Workhack angeschaut und weitergedacht hat (vgl. Abb. mmb Trendmonitor 2006 – 2022).

Grafik digitale Lernformen zeitliche Entwicklung
Abb. mmb Trendmonitor 2006 – 2022 (Grafik: mmb Institut GmbH)

Durch die «Zwangsdigitalisierung» hatten Unternehmen in den letzten Jahren keine andere Wahl, als genauer hinzusehen, wenn es um digitale Lernformen ging. Die neuen Lernmethoden mussten für ihre Organisation bewertet werden und die Unternehmen haben sich dezidierter mit ihnen auseinandersetzen müssen. Ein essentieller Faktor hierbei war es, den Mehrwert für die Mitarbeitenden und die Organisation mit der Kompetenzstrategie des Unternehmens zu evaluieren und abzustimmen.

Selbstgesteuertes Lernen: Anywhere, Anyhow, Anytime

Die Organisationen sind zunehmend damit gefordert, ihre hybride Zukunft an der neuen Realität auszurichten. Das hybride Arbeiten ist zur Normalität geworden und das Lernen im Arbeitsfluss ist eine unabdingbare Notwendigkeit geworden. Ein wichtiger Aspekt, um Mitarbeitenden zu helfen, neue Lernansätze anzuwenden und davon zu profitieren ist es, die digitalen Technologien in den täglichen Arbeitsablauf zu integrieren. Zudem kann die Verwendung von einfachen und anwenderfreundlichen Tools die Akzeptanz erleichtern. Hinzu kommt allerdings auch die Gefahr der Überforderung der Mitarbeitenden. Durch die ständige Verfügbarkeit von Lerninhalten und der Möglichkeit des Mobile Learning können Mitarbeitende schnell das Gefühl haben, immer erreichbar und lernbereit sein zu müssen. Hier ist es wichtig, einen klaren Rahmen und Grenzen zu setzen, um den Mitarbeitenden auch Freiräume für Reflexion und Regeneration zu geben.

Doch wozu braucht es all das und was ist der Nutzen daraus? Laut Zumkehr möchten Unternehme noch effizienter sein in ihrer täglichen Arbeitsweise, wollen Learning & Development (noch) messbarer machen, wollen Daten sammeln um die Lerninitiativen gezielt an den Nutzenden auszurichten mit dem Ziel, am Ende des Tages topausgebildete und hoch motivierte Mitarbeitende zu haben. Arbeitgeberattraktivität ist ein weiterer Grund dafür, warum sich Unternehmen digitale Technologien in der Personalentwicklung auf die strategische Agenda geschrieben haben. Der daraus resultierende Nutzen für Mitarbeitende sind Flexibilität in der Anwendung – «anyhow», «anytime», «anywhere» – und ein hohes Mass an Personalisierung. Lernende stellen sich ihre Lerninhalte «on demand» zusammen, wann immer es passt und mit den auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Lerninhalten.

Nichts Neues, denkt sich so manch einer, doch der Workhack hat gezeigt, dass viele Unternehmen je nach Unternehmensgrösse und digitalem Reifegrad der Organisation ganz unterschiedlich aufgestellt sind, wenn es um die Anwendung von digitalen Lernformaten geht. «Die Leute wollen alle von den neuen Technologien profitieren, scheuen sich aber häufig in der Anwendung», so Zumkehr in seinen Ausführungen. Grund dafür ist das mangelnde Bewusstsein, die Scheu vor dem Neuen, die fehlende technische Infrastruktur und die Unkenntnis darüber, welches Potenzial sich hinter der einen oder anderen neuen Technologie letztlich verbirgt. Je nach Branche, Unternehmensgrösse aber auch Alter des Unternehmens, kann es zusätzlich aber auch eine fehlende Akzeptanz seitens der Mitarbeitenden sein. So kann am Ende des Tages der Einsatz digitaler Technologien in der Mitarbeitendenentwicklung stark variieren.

Generell sollen Mitarbeitende die Möglichkeit haben, ihr Wissen kontinuierlich zu erweitern und nach Bedarf abrufen zu können. Sich selbst reflektieren zu können und zu bewerten wird eine wichtige Schlüsselkompetenz sein, um Verantwortung für die eigene Weiterbildung zu tragen und einen klaren Blick dafür zu haben, wo Lernbedarf besteht. Wichtige digitale Technologien müssen demnach benutzerfreundlich und zur jeweiligen DNA des Users aber auch des Unternehmens passen.

Corporate Learning im Wandel

Es gibt eine Vielzahl von digitalen Massnahmen, derer sich das Corporate Learning bedient, um Lernprozesse zu unterstützen und zu begleiten (vgl. Abb. mmm Trendmonitor 2022). Digitale Medien sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Viele Menschen nutzen sie täglich, so dass E-Learning für manche Nutzer und Nutzerinnen so selbstverständlich geworden sind, dass sie nicht notwendigerweise als separate Gattung des Lernens wahrgenommen werden. Trends wie Micro Learning und Erklärfilme sind hervorragende Möglichkeiten, um Lerninhalte auf eine zugängliche und leicht verständliche Weise zu vermitteln. Gerne werden diese auch für das informelle Lernen genutzt.

Grafik Anwendung von digitalen Lernformen
Abb. mmb Trendmonitor 2022 (Grafik: mmb Institut GmbH)

Der Workhack bestätigt, dass Lernformen wie beispielsweise Chatboots, Augmented Reality oder Lernumgebungen in virtuellen 3D-Welten keine neuen Anwendungen bei den Unternehmen sind. «Bei vielen Unternehmen werden Micro Learning und Learning Nuggets bereits seit langer Zeit erfolgreich genutzt», betont Zumkehr. Auch der Einsatz von Videos ist erfolgreich in der Realität angekommen und viele Bereiche im Learning & Development nutzen Videos, um Themen einfach und verständlich visualisiert an Mitarbeitende zu bringen. Vorteil ist, dass sie benutzerfreundlich sind und in verschiedenen Bereichen der Personalentwicklung, ob Onboarding, Reskilling oder Upskilling, genutzt werden können. «Doch Vorsicht bei der Auswahl der geeigneten digitalen Personalentwicklungsmassnahme», warnt der Experte. Prinzipiell ist es nicht verwerflich, alles einmal auszuprobieren und zu schauen, wie es funktioniert und abzuwarten, ob es Anwendung im Unternehmen findet und einen Mehrwert stiftet. Für welche Massnahme man sich entscheidet, darf jedoch nicht nach dem Giesskannenprinzip stattfinden. Denn gerade hier gilt nicht das Credo «One size fits all».

Digitale Lernkulturen – alte Strukturen aufbrechen

Um Digitalisierung im Unternehmen verankern und leben zu können, braucht es ein systematisches und strategisches Vorgehen, da der Einfluss darüber, wie wir lernen, erheblich ist. Die Unternehmenskultur spielt eine wichtige Rolle bei der Einführung und Implementierung der Digitalisierung, so dass eine digitale Transformation ohne den kulturellen Wandel von Strukturen und Abläufen nicht möglich ist. «Culture eats strategy for breakfast», bemerkte Peter Drucker bereits 2006 und wollte damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht ausreicht, sich hauptsächlich auf die Entwicklung einer Strategie zu fokussieren. Für das erfolgreiche Einführen einer Lernkultur muss das Mindset und die dazugehörige Offenheit für eine solche Veränderung mitgebracht und geteilt werden. Das Growth Mindset, auch Wachstumsdenken genannt, als Schlüssel zum erfolgreichen Kulturwandel wird in der Zukunft für Mitarbeitende immer wichtiger. Nur so können sie sich neuen Herausforderungen stellen, sich an Veränderungen anpassen und kontinuierlich lernen und wachsen. Wichtig hierbei ist, dass Mitarbeitende die Möglichkeit bekommen, neue Technologien auszuprobieren, anzuschauen und Fehler machen zu dürfen. So ist die Aussage von Drucker heute relevanter als je zuvor.

Eine digitale Lernkultur kann nicht von heute auf morgen entstehen. Für die Personalentwicklung bedeutet dies, dass sie zukünftig verschiedene Rollen einnehmen muss. Als Gestalter, als Ideengeber und Bildungsbroker. Zudem muss sie als aktiver Prozessbegleiter den Transfer von Wissen und Kompetenzen in den Arbeitsalltag unterstützen und kontinuierlich begleiten. Nur so kann eine Lernkultur geschaffen werden, die eine Grundlage für die organisatorische digitale Transformation in der Mitarbeitendenentwicklung bildet.

Welche Lernkultur und welche digitalen Massnahmen machen Sinn? Wichtig ist es hier, analog zur klassischen Personalentwicklung die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu berücksichtigen und dies mit den strategischen Zielen des Unternehmens abzugleichen. Zumkehr betonte die Wichtigkeit des massgeschneiderten Lernens: dass Lernen auf die individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Lernstile der Nutzer:innen zugeschnitten sein muss, um Kompetenzen aufzubauen. Wichtig ist es zudem, dass die digitalen Lernformen an den strategischen Unternehmenszielen ausgerichtet sind.

E-Learning is Everyday

Die Digitalisierung in der Personalentwicklung bietet eine Vielzahl von Vorteilen und Möglichkeiten in der Weiterentwicklung für Mitarbeitende. Sie kann den Lernprozess effektiver und motivierender gestalten, so dass die Unternehmen zunehmend auf digitale Lernformen setzen. Die Digitalisierung in der Personalentwicklung ist demnach nicht mehr wegzudenken. Eine Unternehmenskultur, die den neuen Technologien offen entgegensteht, ist der Schlüssel zu mehr Effizienz, Kosteneinsparungen, Flexibilität und lebenslangem Lernen. «E-Learning bleibt ein boomender Trend, E-Collaboration und Micro Credentials sind die Schlüsseltrends», wie Zumkehr zum Abschluss des einstündigen Workhacks betont. Mobile Learning und E-Learning werden zunehmend für die Entwicklungsplanung der Mitarbeitenden benötigt, denn Digitalisierung fördert das Lernen dort, wo es zielgerichtet, ad hoc und mit den richtigen nutzergenerierten Inhalten gebraucht wird. Selbstgesteuerte Lerninhalte passen sich rasch den veränderten Marktbedingungen an, werden so zum Fun-Faktor eines jeden Mitarbeitenden und unterstützen zielgerichtet beim Kompetenzausbau. Digitale Technologien, wie KI oder Virtual Reality benötigen eine sorgfältig durchdachte Digitalisierungsstrategie und erfordern neue Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen bei den Mitarbeitenden.

Quellen und weiterführende Informationen

mmb Institut GmbH. (2021/2022). Weiterbildung heute und in drei Jahren. Viel Rückenwind für «EduTuber». Ergebnisse der 16. Trendstudie «mmb Learning Delphi». mmb-Trendmonitor. 

Götsch, A. (2020). Kann ich führen ohne Strategie? Manager Magazin. Harvard Business Manager. 

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