Anleihen werfen negative Renditen ab und die Zentralbanken sind die grössten Staatsanleihenbesitzer – dieses Szenario schildere ich im ersten Teil meines Blogposts. Im Folgenden geht es nun darum, was das für die Schweizer Pensionskassen heisst und welche Ziele EZB und Co trotzdem damit erreichen könnten.

Pensionskassen mit dem Rücken zur Wand

Schon in meinem Blogpost „Drei Zahlen zwingen die Finanzwelt zur Irrationalität“ bin ich detailliert auf die Folgen der Negativverzinsung für Schweizer Pensionskassen eingegangen. Anders als von mir angenommen und in Zahlenbeispielen berechnet, hat sich die Situation seit November 2015 nochmals dramatisch verschärft. Schweizer Pensionskassen, die gegen 900 Mio. CHF zur Sicherung unseres Ruhestandes verwalten, sehen sich mit einer unlösbaren Herausforderung konfrontiert. Die Verantwortung tragenden Stiftungsräte üben sich in Hoffnung. Die Risikoneigung der Pensionskassenverantwortlichen hat zugenommen. Der Druck, die geforderte Mindestrendite zu erzielen, zwingt sie dazu.

Wie geschildert müssten die Kassen aus ihrem Anteil an Aktien und alternativen Anlagen eine Rendite von 6,5 bis 7,5 Prozent erzielen, um die Nullzinsen aus dem Anleihebereich zu kompensieren. Immerhin rund 50 bis 60 Prozent aller Pensionskassenanlagen haben mittlerweile eine Null- oder sogar Negativverzinsung. Das bedeutet, dass über 500 Mrd. CHF Anlagegelder nicht oder sogar negativ verzinst werden. Also werden bei einer geschätzten durchschnittlichen Negativverzinsung von 0.3 Prozent nur schon in der zweiten Säule gegen 16 Mrd. CHF pro Jahr enteignet.

Wenn der scheinbare Irrsinn die Staatsverschuldung senkt

In meinem Blogpost „Die ökonomische Falle“ habe ich an anderer Stelle die Staatsverschuldung thematisiert. Diese wächst allgemein immer weiter und hat teils schon Niveaus erreicht, wo sie mit konventionellen Methoden nicht mehr nachhaltig abgebaut werden kann. Die Finanzierung dieser Staatsschulden würde für die meisten Volkswirtschaften unter normalen Marktbedingungen einer Quadratur des Kreises gleichkommen. Durch die massiven Staatsanleihekäufe drücken nun aber die Notenbanken das Zinsniveau und damit die Kosten dieser Verschuldung.

Denn es ist ein grosser Unterschied, ob man 0 oder 5 Prozent Zinsen auf Staatsschulden bezahlt. Bei einer Verschuldung von 150 Prozent des BIP bedeuten 5 Prozent Zinsen, dass 7,5 % des BIP nur für Zinszahlungen aufgewendet werden müssen! Bei Volkswirtschaften mit tieferen Anleiheratings, etwa Italien mit einem BBB, liegen die Zinsen nun zwar noch nicht ganz bei null, aber doch nahe daran. Die Schweiz und Deutschland sehen sich sogar in der komfortablen Situation, dass sie beim Schuldenmachen sogar Geld sparen: Bei der Emission von Anleihen erhalten sie mehr Geld, als sie später zurückzahlen müssen. Der allgemein bekannte Fachausdruck dafür heisst „Enteignung“. Wie aber kann stärker gebeutelten Volkswirtschaften geholfen werden, die Zinsen über null Prozent zu bezahlen haben? Respektive wie kann ihnen geholfen werden, die Schuldenlast aktiv zu reduzieren?

Wie die EZB mit Anleihen Gewinne macht

Hierbei wäre es zunächst sehr interessant zu erfahren, zu welchen Preisen die EZB die Staats- und Unternehmensanleihen aufkauft. Es darf davon ausgegangen werden, dass etliche zu unter 100 Prozent Eingang in die EZB-Bilanz finden oder gefunden haben – also nicht zum vollen Preis bezahlt werden. Doch bei Fälligkeit werden 100 Prozent des Anleihebetrages fällig und zahlbar. Sie finden sich dann zusätzlich zu den erhaltenen Zinsen in der Erfolgsrechnung der EZB wieder. Man könnte nun zu Recht einwenden, dass die EZB ja auch die Ausfallrisiken der Anleihen übernommen hat.

Doch machen wir uns nichts vor. Die Fähigkeit der einzelnen Länder, Schulden zurückzuzahlen, wird sich nicht verbessern. Die EZB, wie auch das FED und andere Notenbanken, behalten sich einfach vor, die fällig werdenden Papiere durch neue zu refinanzieren. Es findet also ganz einfach eine Verlängerung statt. Zu 100 Prozent des Nennwertes, versteht sich. Das bedeutet, dass zu Lasten des Schuldnerlandes kein Geld fliesst und die EZB trotzdem die Differenz zwischen Kaufpreis und der Refinanzierung als Gewinn verbuchen kann. Zusätzlich hat sie die Möglichkeit, den Schuldnerländern bei den Zinsen entgegen zu kommen.

Das Ganze erinnert mich nun schon stark an Bernard Madoff mit seinem Ponzi Scheme (Schneeballsystem). Madoff hat dafür 150 Jahre Haft erhalten, die EZB agiert noch ungestraft. Aus meiner Sicht ein tatsächlich perfektes System. Eine Finanzierung bis zum Sankt Nimmerleinstag, ohne Konsequenzen. Was aber geschieht mit dem sogenannten „Buchgewinn“ der bei der EZB durch diese Transaktionen aufgehäuft wird? Er wird den Mitgliedländern ausgeschüttet! Da kann man nur noch staunen. Interessant ist, dass bereits vermehrt vom sogenannten Helikoptergeld gesprochen wird. Neu geschaffenes Geld, welches von der Notenbank entweder an den Bürger oder den Staat zur Finanzierung der Ausgaben bezahlt wird. Der Rückkauf von Staatsanleihen, ohne eine echte Absicht, die Rückzahlung jemals wieder zu fordern, ist ein Paradebeispiel von Helikoptergeld.

Schulden weg und alles gut?

Mit dem geschilderten Vorgehen können die bestehenden Schulden tatsächlich „in echt“ zurückgezahlt werden. Man darf der EZB gewiss nicht mangelnde Innovationskraft unterstellen! Unter diesem Gesichtspunkt wandelt sich der scheinbare Irrsinn in ein sinnvolles und zielgerichtetes Handeln zur Lösung eines bisher unlösbar scheinenden Problems. Welche Absichten die Notenbank aber wirklich verfolgen, kann auch mit dieser Analyse nicht abschliessend herausgefunden werden. Sicher wird die Allgemeinheit Thesen wie „Deflationsbekämpfung“ und „Wirtschaftsbelebung“ besser aufnehmen als die in diesem Text gemachten Spekulationen. Wie lange wird das Spiel aber weitergehen? Wir werden es erleben!

 

Facebook Twitter Xing LinkedIn WhatsApp E-Mail