Schuhe auf Boden mit Schrift Jobwechsel Schuhe auf Boden mit Schrift Jobwechsel
Ein Mann steht vor einem Jobwechsel (Symbolbild)

Laufbahncoaching als Dienstleistung in eine freie psychotherapeutische Praxis integrieren, dies hat Marc Baumgartner, Absolvent des CAS FH in Laufbahncoaching, zu seiner persönlichen Herausforderung gemacht. Im Interview mit Irene Willi, Content Managerin des Instituts für Leadership und HR, gibt er Einblick in seine Abschlussarbeit - wie sich Coaching von der Psychotherapie unterscheidet und wie sich die Inhalte und Instrumente aus dem Studiengang in sein Business-Konzept transferieren lassen.

Herr Baumgartner, warum haben Sie sich für das Thema „Laufbahncoaching in der psychotherapeutischen Praxis“ als Abschlussarbeit entschieden?

Aktuell arbeite ich als ambulanter Psychotherapeut in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Praxisgemeinschaft. Eine meiner Leidenschaften ist die Förderung und Unterstützung von Menschen in schwierigen oder neuen Lebenssituationen. Als Psychotherapeut interessiert mich das Wesen Mensch, seine Geschichte, seine Ängste und Sorgen, aber auch sein Entwicklungspotential sowie seine Werte, Bedürfnisse und Ziele.

In meiner täglichen Arbeit biete ich aktuell drei zentrale Dienstleistungen an: Psychotherapie, psychologische Beratung und Coaching. Die meisten meiner PatientInnen sind im Alter von 30 bis 60 Jahren, viele leiden an Stressfolgeerkrankungen, Depressionen oder Burnout. Bei diesen PatientInnen sind Themen wie Verlust einer Arbeitsstelle, berufliche Sinnkrise, Reintegration in den Arbeitsmarkt zentral. Relativ häufig kommen auch junge Erwachsene nach ihrem Berufsabschluss oder Studierende zu mir in die Therapie oder Beratung und bringen Fragen zur Berufswahl oder ihrer beruflichen Weiterentwicklung mit. Somit bietet Laufbahncoaching für beide Altersgruppen eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Angebot.

Wie grenzen Sie (Laufbahn-)Coaching von der Psychotherapie ab?

Als Abgrenzung zum Coaching wird Psychotherapie als die gezielte, professionelle Behandlung psychischer Störungen und/oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychotherapeutischen Mitteln wie beispielsweise systemische Aufstellungen, kognitive Verhaltenstherapie, Schematherapie etc. definiert. Da ich über eine fundierte Ausbildung als Psychologe und Psychotherapeut verfüge, kann ich sowohl die Rolle des Psychotherapeuten als auch die Rolle des Beraters und des Coaches übernehmen. In den Sitzungen ist es wichtig, die verschiedenen Rollen voneinander zu trennen.

Beim Laufbahncoaching nehme ich gegebenenfalls die Rolle des Beraters oder des Coaches ein. Als Berater vermittle ich Wissen und Informationen, nehme Stellung zu Fragen des Coachees und gebe konkrete Feedbacks. Als Coach arbeite ich lösungs- und ressourcenorientiert, das heisst, ich motiviere den Coachee, selbst Entscheidungen zu treffen und eigene Schlüsse für die berufliche Laufbahn zu ziehen. Dabei stelle ich in erster Linie Fragen und halte mich mit persönlichen Deutungen und Hypothesen zurück. Auf mögliche psychische Störungen des Coachees gehe ich in einer Laufbahncoaching-Sitzung nicht spezifisch ein. Bei PatientInnen mit psychischen Einschränkungen ist zudem die individuelle Beratungsfähigkeit zu berücksichtigen. Das Coaching wird dann entsprechend angepasst oder vereinfacht.

Woraus besteht das Laufbahncoaching-Angebot, das Sie neu in Ihre Praxis integrieren möchten?

Das Laufbahn-Coaching soll die Grundlage schaffen für die weiteren beruflichen Entscheidungen der Klientin / des Klienten. Dabei sollen in mehreren Gesprächen folgende Fragen beantwortet werden:

Wo stehe ich im Moment? Zunächst geht es darum herauszufinden, wo sich der Coachee im Moment beruflich gerade befindet. Wie zufrieden ist sie/er mit seiner Arbeitssituation? Wie geht es ihr/ihm allgemein und was führt sie oder ihn ins Laufbahn-Coaching?

Wer bin ich? Der nächste Schritt zielt darauf zu eruieren, welche relevanten Persönlichkeitsmerkmale den Coachee in seinem Berufsalltag beeinflussen. Im weiteren definieren wir gemeinsam die persönlichen Werte und Motive, die sie oder ihn im Berufsleben antreiben. Um diese Fragen zu beantworten, helfen Testverfahren und Instrumente wie beispielsweise der Fragebogen zur Karriereorientierung (KO-R1), der auf dem Konzept des Karriereankers nach Schein (2005) beruht.

Was kann ich? Nun werden die vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten sowie persönlichen Stärken und Schwächen zusammengetragen. Hierzu kann neben anderen Instrumenten das Inventar Sozialer Kompetenzen (ISK) (Kanning, 2009) beigezogen werden, welches die Dimensionen soziale Orientierung, Offensivität, Selbststeuerung und Reflexibilität sowie diverse Persönlichkeitseigenschaften des Coachee misst.

Was will ich? Hier steht das Erfassen der beruflichen Interessen und Neigungen des Coachees im Fokus. Ebenso werden die für den Coachee zentralen Arbeitsbedingungen besprochen: Arbeitet jemand lieber selbständig oder im Angestelltenverhältnis, Teilzeit oder Vollzeit, in einem Grossbetrieb oder in einem kleinen Familienunternehmen? Auch hierzu gibt es effektive Testverfahren und Instrumente.

Was braucht der Markt? Zuletzt werden Informationen über mögliche Stellen, Berufe, Weiterbildungen und den aktuellen Arbeitsmarkt beschafft. Der Coachee kann auch kurze Interviews mit Berufsleuten durchführen. Idealerweise werden durch diese Gespräche neue Kontakte hergestellt und das persönliche Netzwerk erweitert. Auch helfen Internet-Links weiter, wie die offizielle Seite der Berufs- und Laufbahnzentren der Schweiz (www.berufsberatung.ch).

Was waren die Herausforderungen bei der Erstellung Ihres Konzepts?

Die Herausforderung besteht vor allem darin, die Rolle des Psychotherapeuten und des Laufbahncoaches immer wieder zu unterscheiden und zu erkennen, welche Anliegen bei der Klientin oder beim Klienten im Vordergrund stehen. Ist jemand beispielsweise psychisch sehr belastet, dann macht es auch keinen Sinn, ein Laufbahncoaching durchzuführen. Dies könnte den psychischen Druck nur noch erhöhen.

Welche persönlichen Erkenntnisse können Sie aus dem CAS FH in Laufbahncoaching mit uns teilen?

In der Weiterbildung war vor allem der Austausch mit den anderen Kursteilnehmenden sehr wertvoll. Viele Teilnehmende kamen aus dem Human-Ressources-Bereich. Ich war als Psychotherapeut eher ein Exote in der Klasse. Besonders wertvoll war, dass wir während der Weiterbildung Coachings durchführen mussten und die entsprechenden Theorien und Instrumente praktisch anwenden und ausprobieren konnten.

###

Quellen und weiterführende Informationen

AMS (2017). Berufskompass.

Kanning, U. P. (2009). Inventar Sozialer Kompetenzen (ISK).

Schein, E. H. (2005). Karriereanker. Die verborgenen Muster in Ihrer Ihrer beruflichen Entwicklung. Darmstadt: Lanzenberger Dr. Loss Stadelmann.

Facebook Twitter Xing LinkedIn WhatsApp E-Mail