Zeitbombe Zeitbombe
Zeitbombe (Symbolbild)

In den kommenden Jahrzehnten verändert sich die Alterspyramide in der Schweiz stark. Aus der Tanne wird eine Art Urne. Gemäss den Szenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS 2016) verbreitert sich die Spitze der Alterspyramide immer weiter, da die Babyboom-Generation in die höheren Altersklassen eintreten. Das heisst, die Alterspyramide schiebt sich von unten nach oben. So soll sich in der Schweiz in rund 30 Jahren die Anzahl der Rentner, die aus dem Berufsleben ausscheiden, verdoppeln. Somit stehen diese dem Arbeitsmarkt grossmehrheitlich nicht mehr zu Verfügung (BFS 2016). Welche Lösungsansätze haben Politik und Wirtschaft zu bieten?

Diese bevölkerungsstarke Generation der Babyboomer geht also in den nächsten fünf bis zehn Jahren in den Ruhestand, und Unternehmen werden trotz einem positiven Trend-Szenario mit einem alternden Arbeitskräftepotential konfrontiert sein. Negative Nebeneffekte wie der Know-How-Drain, erhöhte Kosten der Altersvorsorge bzw. Leistungseinbussen etc. inklusive. Das bedeutet, dass in den wirtschaftlich florierenden Volkswirtschaften wie der Schweiz die Balance zwischen Stellenangeboten und potentiell qualifizierten Arbeitnehmenden überproportional auseinanderdriftet. Die genauen Auswirkungen sind nur schwer einzuschätzen. Umso mehr erstaunt es, dass im aktuellen Trend-Barometer 2018/2019 der Avenir Group & GfK Switzerland die HR-Verantwortlichen dieses Thema weit hinten in ihrer Prioritätenliste gesetzt haben. Einer aktuellen Studie von Korn Ferry zufolge werden allein in Deutschland in den nächsten zwölf Jahren über 500 Milliarden Euro aufgrund fehlender Fachkräfte Einnahmeausfälle entstehen.

Alterspyramide Schweiz 2017, Bundesamtfür Statistik BFS

Bundesamt für Statistik (BFS) - Szenarien der Bevölkerungsentwicklung der Schweiz / Alterspyramide 2017 (Graphik)

Demografisch bedingter Fachkräftemangel

Das heisst auch für die Schweiz kommt es zu einer Skill- und Jobverlagerung, die sich nur bedingt mit Digitalisierungseffekten (Einsparung von Personal), sowie der Fachkräfte-Migration steuern lässt. Gemäss einer aktuellen UBS-Studie sollen in der Schweiz in den nächsten rund zehn Jahren 480‘000 Vollzeit arbeitende Personen fehlen. Es kommt zu einem eigentlichen demografisch bedingten Fachkräftemangel. Wobei nicht alle Branchen gleich betroffen sein werden. Dies geht einher mit einer anhaltenden Qualifizierungs-Strukturveränderung (Nachfrage nach Höherqualifizierungen, insbesondere im Digitalisierungs- und Automatisierungsbereich). Eine im August 2017 veröffentlichte Studie der Credit Suisse unterstreicht diese Aussage. Besonders Pflegepersonal, Polizisten und Lehrer werden fehlen.

Jedes vierte mittlere bis kleine Unternehmen in der Schweiz wird akut vom Fachkräftemangel betroffen sein. Und rund die Hälfte der rekrutierenden Firmen bekundet heute schon grosse Mühe, geeignete Kandidaten zu finden.

Wer übernimmt Verantwortung bei der Bewältigung dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen?

Zum einen die Politik: Sozialpolitisch müssen die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Unternehmungen konkrete Strategien und Konzepte aufsetzen können: beispielsweise im Thema Altersvorsorge oder der Bildungspolitik. Doch auf verbesserte Rahmenbedingungen zu warten, ist für die Unternehmen und HR-Abteilungen keine Alternative. Die Zeitbombe tickt und schon bald werden noch mehr Unternehmen Aufträge aufgrund fehlender Arbeitnehmer ablehnen müssen.

Was ist die Lösung? Vier Handlungsfelder zeichnen sich ab:

  1. Umgestaltung des Arbeitsmarktes: Potential der (noch) nicht genügend ausgebildeten Arbeitnehmenden erhöhen mittels Umschulung, Weiterbildung und Vermehrung von Teilzeitarbeitsplätzen insbesondere für Frauen.    
  2. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: flächendeckende Angebote von Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen, Investition in Gesundheit und Bildung, um auch ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess integriert zu halten.
  3. Höhere Lebensarbeitszeit: Anreizsysteme und angepasste Rahmenbedingungen der Sozialversicherungen (AHV, 2. Säule) gestalten.
  4. Bildung: Grund-, Aus- und Weibildungsoffensiven für eine kontinuierliche Kompetenzentwicklung (alt und jung) entlang des Wirtschaftsbedarfs  – berufsbegleitend und am Bedürfnis des Arbeitsmarkts ausgerichtet – entwickeln.  

Was unternimmt ein professioneller HR Management?

Mit diesen sieben HR-strategischen Lösungsansätzen gehen Unternehmen das Problem ganzheitlich an:

Die Lösungsansätze müssen aus den Unternehmungen kommen. Folgende Themenfelder sollten systematisch und mit der aktuellen und zukünftigen Unternehmens- und HR-Strategie verknüpft und verankert werden. Am besten, indem eine Ist-Aufnahme der einzelnen Handlungsfelder mit dem zukünftigen Soll-Zustand abgeglichen wird (Cap-Analyse).

  • Employer Branding – Corporate Identity – „der Treiber“: Was du nach Aussen anbietest und wie du nach Innen bist (Werte, Kultur, Identität), gelebte, echte Unternehmens-Werte sind entscheidend.
  • Unternehmenskultur: Behandle deine bestehenden Mitarbeiter so wie du selber behandelt werden möchtest. Dies ist die beste Retentionsmassnahme und kommt deutlich günstiger als alle anderen Aktivitäten. Fachkräftemangel löst sich durch Binden und durch Finden!
  • Ausbildung: Ausbilden, Ausbilden und nochmals Ausbilden (on und off the job) – zukünftige Fähigkeiten wie Kollaboration, Lernkompetenz, Daten- und Digitalisierungskompetenz. Ausbildung bedeutet einen substanziellen Beitrag gegen den Fachkräftemangel und Qualifizierung in deiner Organisation und zahlt erst noch auf die Mitarbeiter-Bindung ein.
  • Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsformen sind ein Erfolgsfaktor: Förderung der Teilzeitarbeit (nicht Präsenzzeit sondern Arbeitserledigung zählt), Jahreszeitmodelle, mobiles Arbeiten, Gesundheitsmanagement, Work-Llife-Balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Modelle von Bogenkarrieren (Wechsel von Linien- zu Stabsfunktionen).
  • Innere Modernität der Unternehmungen: flache Hierarchien, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Job Enrichment, Möglichkeit für Sabbaticals (auch für junge Mitarbeitende), Gestaltungsraum, Übernahme von Verantwortung.
  • Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten: Definiere für jeden Mitarbeitenden einen Mentor – vom Lernenden bis zum Pensionierten. Warum: Hier hörst du die Basis und ihre Bedürfnisse und kannst gezielt und strategisch Weiterbildungsaktivitäten steuern.
  • Faire Bezahlung: Hygienefaktor der stimmen muss (Angebot und Nachfrage des Arbeitsmarkts).

Ein strategisches HR Management findet hier die richtigen Lösungsansätze, um diese Transformation des Unternehmens in Bezug auf die Fachkräfteproblematik erfolgreich zu unterstützen. Dazu sind verschiedene Faktoren entscheidend. HR muss das Geschäfts- und Businessmodell verstehen und „lesen“ können und die Handlungen konsequent an der Organisation ausrichten. Zudem muss in Szenarien gedacht und entwickelt werden und nicht auf Vorrat. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen laufen rasch ab und es bedarf einer agilen, adaptierbaren Strategie. Basis dafür bildet beispielsweise eine strategische Personalbedarfsanalyse.

Näheres dazu im nächsten Blog-Beitrag mit einem konkreten Ansatz zur Entwicklung einer HR- Demographie-Strategie.

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Quellen und weiterführende Informationen

Bundesamt für Statistik: Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2015-2045.

Kalt, D. (2017). Das digitale Zeitalter. UBS Outlook Schweiz, 4.

Korn Ferry (2018). The Global Talent Crunch.

Studie Credit Suisse: Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU, August 2017.

Winkler, S. (2018). Praxis Trendbarometer. HR Trends 2018. Hot or not? HR Today 1/2, 35.

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