Abbildung eines Schmarotzers Abbildung eines Schmarotzers
Trotz positiver neuer Führungsmethoden erleben manche Mitarbeitende, dass sie von ihren Vorgesetzten ausgenutzt werden. (Symbolbild)

Wie verhält sich die ideale Führungskraft? Wie fördert und fordert sie Mitarbeitende angemessen und wie agiert sie dabei visionär sowie zum Wohle von Organisation und Mitarbeitenden? Bis vor kurzem hat sich Führungsforschung hauptsächlich solch positiven Aspekten von Führung gewidmet. Doch trotz positiver neuer Führungsmethoden erleben manche Mitarbeitende, dass ihre Vorgesetzten den eigenen Vorteil in den Vordergrund stellen und ihre Mitarbeitenden ausnutzen. Ellen Schmid, Armin Pircher Verdorfer und Claudia Peus haben in sechs Studien mit insgesamt 1722 Mitarbeitenden untersucht, wie es sich auswirkt, wenn Vorgesetzte nur an ihren eigenen Nutzen denken.

5 typische Formen ausnutzender Führung

Die Wissenschaftler befragten Arbeitnehmende aus unterschiedlichen Organisationen und Branchen zu ihren Erfahrungen mit Führungskräften, die andere ausnutzen, und identifizierten 5 Kategorien ausnutzender Führung:

  • Eigennütziges Verhalten: Mitarbeitende sind für die Führungskräfte ein Mittel zum Zweck, es ist selbstverständlich für sie, dass die Arbeit anderer vor allem den eigenen Interessen dient.
  • Die Lorbeeren für die Arbeit anderer einstecken: Erfolge oder innovative Ideen der Mitarbeitenden werden von ausnutzenden Führungskräften als ihre eigenen ausgegeben.   
  • Mitarbeitende manipulieren: Es bestehen keine Hemmungen, Zwietracht zwischen Mitarbeitenden zu säen oder sie gegeneinander auszuspielen, um eigene Ziele besser umsetzen zu können.
  • Mitarbeitende unter Druck setzen: Mitarbeitende werden bewusst überfordert oder zu hohen Belastungen ausgesetzt, wenn es dem Vorteil der Führungskraft dient (z. B. sehr kurzfristig eine eilige Terminsache delegieren). Druck kann dabei durchaus auf charmant-freundliche Art aufgebaut werden.
  • Mitarbeitende unterfordern: Auch dauerhafte Unterbelastung kann eine Form der Ausnutzung sein, beispielsweise wenn Mitarbeitenden aus Bequemlichkeit unattraktive Routineaufgaben unterhalb ihres Qualifikationsniveaus zugeteilt werden und ihnen Weiterentwicklung verwehrt wird.

3 Ursachen für eigennütziges Führen

  • Führungsforschung zum Thema Macht zeigt, dass manche Führungskräfte dazu neigen, sich selbst zulasten der Mitarbeitenden mehr Ressourcen zuzusprechen, als ihnen eigentlich zustünden (Lammers et al., 2015). Erklärt werden solche Befunde damit, dass diese Führungskräfte das Gefühl haben, mehr zu leisten als ihre Teammitglieder und davon ausgehen, dass ihnen entsprechend auch mehr zusteht.
  •  Ob Führungskräfte andere ausnutzen oder ob sie sich zum Wohle anderer zurücknehmen, lässt sich auch durch Persönlichkeitseigenschaften erklären. Die mit eigennützigem Verhalten am stärksten assoziierte Eigenschaft ist Narzissmus. So tendieren etwa Narzissten dazu, andere für sich arbeiten zu lassen, da sie sich anderen überlegen fühlen und daher glauben, das Recht dazu zu haben (vgl. hierzu auch Rosenthal & Pittinsky, 2006).
  •  Auch die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Führungskräfte bewegen, beeinflussen ihr Handeln und können ausnutzendes Verhalten fördern, wenn beispielsweise Belohnungsstrukturen herrschen, die nicht Teamarbeit oder persönliche Integrität, sondern nur die Steigerung des eigenen Profits belohnen. In einigen Unternehmen wird Führungskräften empfohlen, Mitarbeitende unter Druck zu setzen, da dies die einzige Möglichkeit sei, die hohen Zielvorgaben zu realisieren, welche den Führungskräften gesetzt werden.    

Wie ausnutzende Führung wirkt

Die Befunde von Schmid, Pircher Verdorfer und Peus zeigen: Mitarbeitende, die ihre Führungskraft als ausnutzend einschätzen, sind weniger zufrieden mit der Arbeit, weniger engagiert, bereuen die Entscheidung, für das Unternehmen zu arbeiten und würden sich Freunden gegenüber nicht positiv über das Unternehmen äussern.

Was noch alarmierender ist: Sich ausgenutzt fühlende Mitarbeiter haben weniger Hemmungen, Normen der Organisation zu missachten und z. B. Firmenressourcen für sich selbst zu nutzen. Viele gaben an, zunächst noch eine Weile bleiben zu wollen, um zu beobachten, wie sich die Situation entwickelt, bevor sie sich auf Jobsuche machen. Auf die Frage, wie sie sich fühlen, wenn sie von ihren Chefs ausgenutzt werden, gab ein Grossteil an, sich zu schämen.

Gegenmassnahmen

Die Vermeidung oder zumindest Einschränkung eines solchen Führungsstils beginnt gemäss den Studienautoren schon bei der Auswahl zukünftiger Führungskräfte. Hier spielt eine Sensibilität der Entscheidungsträger für gewisse Neigungen wie etwa Narzissmus eine zentrale Rolle. Gerade Narzissten verstehen es gut, einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen. Einem solchen Blender-Effekt kann mit klaren Anforderungs- und Auswahlkriterien basierend auf Werten der Zusammenarbeit und entsprechenden Auswahlinstrumenten entgegengewirkt werden.

Weitere Möglichkeiten basieren auf einer Änderung der Belohnungsstrukturen des Unternehmens und einer gezielten Führungskräfteentwicklung. Beides zielt darauf ab, dass Führungskräfte im Umgang mit ihren Mitarbeitenden auch angesichts herausfordernder Situationen werteorientierter handeln, dafür aber auch die nötigen Mittel erhalten.

Weiterführende Informationen und Quellen

Lammers, J., Galinsky, A. D., Dubois, D., & Rucker, D. D. (2015). Power and morality. Current Opinion in Psychology, 6, 15-19.

Rosenthal, S. A., & Pittinsky, T. L. (2006). Narcissistic leadership. The Leadership Quarterly, 17(6), 617-633.

Schmid, E. A., Pircher Verdorfer, A., & Peus, C. (2017). Shedding Light on Leaders’ Self-Interest: Theory and Measurement of Exploitative Leadership. Journal of Management.

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