Forschungskolloquium No Windows Broken: Forensik spontaner versus organisierter Störungen der öffentlichen Ordnung am Beispiel der Kölner Silvesternacht 2015/16
29.04.2025 12:30 - 13:30, Hybrid: Kalaidos Fachhochschule, Raum 405 und online via Zoom
Die Ereignisse der Kölner Silvesternacht 2015/16 schockierten Deutschland und die Welt. Vor den Toren des Doms wurden hunderte Frauen Opfer von sexueller Belästigung und Raubüberfällen. Während diese Eskalation der Kriminalität von vielen zunächst als Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung im Sinne des «Broken-Windows-Effekt» interpretiert wurde, zeichnet unsere Analyse ein anderes Bild.
Mithilfe eines einzigartigen Datensatzes aus anonymisierten Polizeiakten rekonstruieren wir die Dynamik dieser Ereignisse. Unsere quantitativen und qualitativen Analysen zeigen: Viele beobachtete Merkmale sprechen gegen die These eines spontanen Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung.
Mit neu entwickelten mathematischen und agentenbasierten Modellen simulieren wir die Dynamik eines spontanen Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung und vergleichen diese mit den empirischen Daten der Kölner Silversternacht. Dabei zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz: Je stärker wir die Modellparameter an die Umstände der Silvesternacht anpassen, desto weniger stimmen die Simulationen mit den beobachteten Daten überein. Im Gegensatz dazu liefert ein Modell, das einen organisierten Zusammenbruch simuliert, eine erstaunlich genaue Annäherung an die Daten.
Unsere Forschung stellt damit nicht nur die gängige Interpretation der Kölner Silvesternacht in Frage, sondern schlägt auch neue Ansätze vor, um Phänomene des Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung besser zu verstehen. Spontane und nicht-spontane Störungen können so gezielter unterschieden werden.
Wann?
Dienstag, 29. März 2025, 12.30–13.30 Uhr
Wo?
Kalaidos Fachhochschule, Jungholzstrasse 43, 8050 Zürich, Raum 405 oder online via Zoom
Wer?
Dr. Joël Berger, Oberassistent am Departement Sozialwissenschaften der Universität Bern
Joël Berger promovierte 2015 an der ETH Zürich zum Thema «Competition and Cooperation». Anschließend forschte er an den Universitäten Groningen, Utrecht und Zürich und war Senior Researcher an der Kalaidos Fachhochschule Schweiz. Derzeit ist er in Forschung und Lehre am Departement für Sozialwissenschaften der Universität Bern tätig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Dynamik sozialer Normen, kollektives Verhalten sowie pro- und antisoziales Verhalten – mit Anwendungen in den Bereichen Nachhaltige Entwicklung und Institutionendesign.